Corona eröffnet keinen rechtsfreien Raum – Kontaktnachverfolgung im Saarland unzulässig
Im Saarland galt bisher nach der dortigen Corona-Verordnung vom 21.08.2020:
Zum Zwecke der Kontaktnachverfolgung sind Daten nicht nur bei Besuchen von Gastronomiebetrieben zu erheben, sondern unter anderem auch beim Besuch von Gottesdiensten und politischen und gesellschaftlichen Veranstaltungen. Zu erfassen waren die Daten je eines Vertreters der anwesenden Haushalte mit Vor- und Familienname, Wohnort und Erreichbarkeit und Ankunftszeit .1
Diese Regelung hat das Verfassungsgericht des Saarlandes nun vor knapp zwei Wochen für (landes-)verfassungswidrig erklärt.2 Bis spätestens 30. November 2020 muss nun einen neue Regelung geschaffen werden.
Begründet hat das Gericht seine Entscheidung damit, dass die Regelung geeignet sei, Bewegungs-und Persönlichkeitsprofile zu erstellen. Denn die Datenerfassung berühre viele verschiedene Lebensbereich (Gastronomie, Sport, Kirche, Kultur…). Die Regelung sei, so das Gericht, dazu geeignet, die Bürger von der Ausübung ihrer grundrechtlichen Freiheiten wie beispielsweise der Glaubensfreiheit abzuhalten.
Ein solcher Eingriff dürfe nicht von der Landesregierung als Exekutive vorgenommen werden – die Corona-Verordnung wurde von der Landesregierung des Saarlandes beschlossen und nicht durch Landesparlament. Denn das Parlament sei berufen in einer öffentlichen, transparenten Debatte das Für und Wider einer Regelung abzuwägen und vor allem sei die Verwendung der zu erhebenden Daten rechtsicher zu gestalten. Der hier vorliegende Grundrechtseingriff dauert bereits länger an und wird nach Ansicht des Gerichts auch noch weitere Monate andauern, so dass der Grundrechtseingriff eine solche Intensität hat, dass nur ein Parlamentsgesetz ihn rechtfertigen kann. Eine Rechtsverordnung der Landesregierung genüge dem nicht.
Bis ein solches Gesetz in Kraft ist, längstens jedoch bis Ende November 2020, bleibt die bisherige Regelung in Kraft. Allerdings stellt das Gericht die Maßgabe auf, dass auf Basis der (landes-)verfassungswidrigen Verordnung erhobenen Daten nur mit gerichtlichen Beschluss an Gesundheitsbehörden weitergegeben werden dürfen.
Wortlaut Artikel 2 § 3 der Verordnung zur Änderung infektionsrechtlicher Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 21. August 2020
(1) Die Möglichkeit einer Kontaktnachverfolgung ist verpflichtend zu gewährleisten
- beim Betrieb eines Gaststättengewerbes nach dem Saarländischen Gaststättengesetz oder beim Betrieb sonstiger Gastronomiebetriebe jeder Art mit Ausnahme der bloßen Abgabe mitnahmefähiger Speisen und Getränke,
- beim Betrieb von Kinos, Theatern, Opern, Konzerthäusern und weiteren kulturellen Veranstaltungen und dem dazugehörigen Probenbetrieb,
- beim Betrieb von Indoorspielplätzen,
- bei Gottesdiensten und Bestattungen,
- beim Trainings-, Kurs- und Wettkampfbetrieb im Sport,
- bei sonstigen Veranstaltungen nach § 6,
- bei Hotels, Beherbergungsbetrieben und Campingplätzen,
- bei Prostitutionsstätten, soweit sie nach dieser Verordnung nicht untersagt sind.
(2) Die Betreiber, Veranstalter oder sonstigen Verantwortlichen haben geeignete Maßnahmen zur vollständigen Nachverfolgbarkeit sicherzustellen. Hierzu gehört die Erfassung je eines Vertreters der anwesenden Haushalte mit Vor- und Familienname, Wohnort und Erreichbarkeit und der Ankunftszeit.
(3) Die erhobenen Daten dürfen nicht zu einem anderen Zweck als der Aushändigung auf Anforderung an die Gesundheitsämter verwendet werden und sind nach Ablauf eines Monats nach Erhebung gemäß der gelten- den Datenschutzgrundverordnung zu löschen.
2 Landesverfassungsgericht des Saarlandes Beschluss vom 28.08.2020 – Lv15/20