BGH


Es kommt darauf an – das Recht auf Vergessenwerden

Des Juristen – angeblich – liebster Satz: es kommt ganz darauf an. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) kann sich in seinem heutigen Urteil (VI ZR 405/18) davon nicht ganz frei machen – wenn natürlich auch deutlich eleganter formuliert. 

Doch zunächst einmal: was ist das Recht auf Vergessenwerden eigentlich?Vereinfacht gesagt ist es ein Recht auf Löschung personenbezogener Daten, wenn der Zweck der Datenverarbeitung weggefallen ist und auch sonst keine Gründe zum weiteren Vorhalten der Daten gegeben ist. Der Gesetzgeber formuliert dies wunderbar juristisch in Artikel 17 DSGVO:

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:

a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. (…)

c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.

d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet. (…)

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist

a) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information (…)

Im konkreten Fall hatte ein ehemaliger Geschäftsführer auf Löschung gegen Google geklagt. Denn bei der Suche nach seinem Namen über die Suchmaschine sind Presseberichte gelistet worden. In diesen berichtete die regionale Tagespresse, dass der vom Kläger geführte Regionalverband einer Wohlfahrtsorganisation ein Defizit in knapper Millionenhöhe aufgewiesen und er sich zuvor krankgemeldet habe.

Das Fazit des Gerichts: der Kläger hat kein Recht auf Löschung aus Artikel 17 DSGVO.  Google ist nicht per se verpflichtet ist, wahre Berichterstattungen über Personen bzw. die damit verbundenen personenbezogenen Daten schon nach einigen Jahren auszulisten, sondern es kommt vielmehr auf den jeweiligen Einzelfall an. Nach Ansicht des BGH überwiegt in dem konkreten Fall das Informationsrecht der Öffentlichkeit nach wenigen Jahren, vorliegend sieben Jahren, noch das Recht des Betroffenen am Schutz seiner personenbezogenen Daten. Im Rahmen der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit der Inhalteanbieter einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen andererseits gilt kein automatischer Vorrang der Rechte des Betroffenen. Die sich gegenüberstehenden Grundrechte sind vielmehr gleichberechtigt miteinander abzuwägen. 

Der BGH betont in seinem heutigen Urteil also, dass es ganz darauf ankommt: es muss in jedem einzelnen Fall abgewogen werden, ob das Persönlichkeitsrecht oder das Recht der Öffentlichkeit auf Information schwerer wiegt.

Einen weiteren Fall, den der BGH heute zum Recht auf Vergessenwerden auf der Tagesordnung hatte (VI ZR 476/18), legt er dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor. Denn dort liegt der Sachverhalt anders: der Wahrheitsgehalt der betreffenden Berichtserstattung, welche in den Suchergebnissen von Google angeführt wird, ist umstritten.

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 095/ 2020)

 

 


18.06.2014

Es kursierte in den Medien weithin unter „Helmpflicht für Radfahrer?“ – das mit Spannung erwartetet Urteil des Bundesgerichtshof vom gestrige Tage. Der BGH entschied die Frage, inwieweit ein Radfahrers, der keinen Helm trägt, eine Mitschuld an einem Unfall  bzw. dessen Folgen trägt. Das Gericht entschied nun gestern: Radfahren ohne Helm begründet keine Mitschuld.

Aber bedeutet dieser Urteilsspruch nun, dass keine Helmpflicht besteht? Wir sind der Meinung, dass das Urteil mit Vorsicht zu begießen ist. Zunächst einmal existiert eine tatsächliche Pflicht zum Helm nicht, da diese nicht gesetzliche geregelt ist. Die Konstruktion einer Helmpflicht quasi durch die Hintertür der Mitschuld ist jedoch weiterhin nicht endgültig entschieden. Denn der Bundesgerichtshof stellt in seinem Urteil wesentlich auf das allgemeine Verkehrsbewusstsein zum Unfallzeitpunkt ab. Also auf die Frage, inwieweit es zum Unfallzeitpunkt üblich war, einen Helm zu tragen und dies als allgemeine Sorgfaltspflicht anzusehen ist. Der dem Urteil zu Grunde liegende Unfall trug sich jedoch bereits 2011 zu. Es spricht einfies dafür, dass das Urteil anders ausgefallen wäre, wenn der Unfall sich 2014 zugetragen hätte.  (Urteil vom 17. Juni 2014 – VI ZR 281/13)